Sepulkralkultur der Zwerge
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzliches
Die Seele des Verstorbenen findet stets seinen Weg in Umors Hallen: Wie sie ihn einst gebar, so nimmt sie auch wieder zu sich. Die Handhabung mit den Leichnamen ist unterschiedlich ausgeprägt und pragmatisch orientiert.
Dûn- und Eisenzwerge
Stirbt ein Dûn- oder Eisenzwerg fernab seiner Sippe, etwa in einem Gefecht, so wird nach Möglichkeit sein Leichnam wenigstens notdürftig aufgebahrt und unter Trauer in die Heimat überführt - nicht zwangsläufig die Heimat des Toten selbst. Der Trauerzug wird von einfachen Gesängen zu Umor begleitet. Für Nichtzwerge ist der Gesang unmelodisch und erinnert an Katzengejammer. Wegen der teils großen Familien und des oft fehlenden Platzes in den unterirdischen Städten findet eine Feuerbestattung statt. Die Asche wird in flachen Bronzeschalen mit Deckel aufbewahrt. Spätestens nach seiner Einäscherung gelangt der Tote in seine wahre Heimat. Die Schalen sind insbesondere bei den Eisenzwergen reich verziert. Wer es sich leisten kann, der verziert den Deckel mit einem Abbild des Toten. Viele Familien reichen ihre Bronzeschalen weiter, so dass eine Schale eine ganze Reihe von Ahnen beherbergte, die Deckel werden mitunter ausgetauscht. Damit auch verstreut lebende Familienmitglieder und Freunde des Toten Abschied nehmen können, wird die Schale für die Dauer einer Wendung in einer sogenannten Totenwand ausgestellt. Gibt es einen kleinen, für den Toten wichtigen Gegenstand, so wird er ebenso beigelegt. Nach Ablauf dieser Wendung verbleibt die Schale in der Familie. Meist wird nach einigen Wendungen die Asche in Höhlen oder Stollen verbreitet.
Die Totenwand einer zwergischen Stadt oder Siedlung ist stets gut erreichbar, aber sie liegt niemals zentral. Sie besteht aus zahlreichen Fächern bzw. Kammern, verschlossen durch Kristallscheiben - ein Blick auf die Bronzeschale ist möglich, aber zugleich wird eine Distanz zu den Überresten des Toten gewahrt und seine Ruhe somit respektiert. Gerade Zwergenmütter sind oft dabei zu beobachten, wie sie ihre Hände gegen die Scheiben drücken und trauern. Verabschiedet sich ein Angehöriger oder Freund an der Totenwand, so betet er für die Dauer von bis zu zwei Wochen regelmäßig zu Umor.
Die größte Totenwand findet sich in Robosch. Sie wurde noch unter Grannithosch - nachdem er in der 3125. Wendung die Stadt vor der Einnahme durch die Orks verhindern konnte - errichtet. Wegen der vielen Toten sind die Fächer sehr klein und bedingt durch die Umstände der Ereignisse kaum verziert. Vielen fehlt die Kristallscheibe - jene werden heute nicht mehr genutzt. Die Wand ist auch ein Mahnmal an das Ende der Zwergenheit.
Stirbt mit einem Dûn-Zwerg gleichzeitig auch seine Sippe aus, wird in Urlosch im Tempel der vergessenen Ahnen ihrer gedacht. Inschriften erinnern an die Taten der nun ausgestorbenen Sippen.
Hochzwerge
Der Bestattungskult der Hochzwerge orientiert sich am oben aufgeführten Ritus. Ihm haften aber mehr Ausnahmen an, allein weil die Hochzwerge schon oft nicht bei ihren Brüdern und Schwestern sondern unter oder bei Menschen leben. Hierzu siehe auch den Abschnitt unten. Hochzwergische Bronzeschalen sind meist sehr teuer, manchesmal sogar aus Gold und/oder mit Edelsteinen verziert.
Caerunzwerge
Ursprünglich praktizierten die Caerunzwerge auch den Totenkult, wie er bei ihren Vettern, den Dûn- und Eisen-Zwergen zu finden ist. Mit der Verkündung des Zwergenfluchs durch Grannithosch in der Wendung 3215 und der Erinnerung an die Aufgabe der Erben des Magmarox änderte sich die Sepulkralkultur - auch in Anbetracht der langen Seefahrt. Die Verabschiedung an den Totenwänden und das Bewahren der Urnen und Aschen wurde aufgegeben: Stattdessen soll die Erinnerung überdauern. Die Toten werden weiterhin verbrannt und ihre Asche verstreut - die Hinterbliebenen jedoch sammeln den Werdegang, der schriftlich fixiert und aufbewahrt wird. Nicht nur soll an den Zwerg erinnert werden, auch an das, was er vollbrachte, was er entdeckte.
Handelte es sich zunächst im eher einfache Protokolle, so sind die Schriften inzwischen bebildert und, soweit die Runen des Zwergenalphabets es zulassen, mit Kalligraphien verschönert. Die Schriften werden in den Magmarox-Tempeln aufbewahrt. Viele Schriftrollen befinden sich in den Archiven des Kristalltempels zu Hochquell. Bevor die Schrift archiviert wird, wird sie im Angehörigenkreis verlesen. Dies gilt als der letzte Abschied.
Dunkelzwerge
Die Sepulkralkultur der Dunkelzwerge folgt dem Schöpfungsmythos der Dunkelzwerge: Wie die Zwerge einst aus Stein von Xolgorasch und Umor geschaffen wurden, so sollen sie auch wieder zu Stein zu werden. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der Tempel der Tiefe. Es heißt, wessen Asche in die Tiefen des Tempels gelangt, der wird wieder zu Stein. Es heißt auch, je tiefer die Asche gelangt, desto schöner wird das Gestein. Daher ist ein jeder Dunkelzwerg bestrebt, möglichst schnell und möglichst tief zu fallen - also seine Asche mit möglichst viel Gewicht zu versehen. Aus diesem Grund - und weil Stein den Dunkelzwergen natürlicher erscheint als Metall - werden die Urnen aus Stein gefertigt, nicht aus Metall. Das Gewicht der Urne korreliert üblicherweise mit dem Rang der Persönlichkeit. Eisenbasalt, Granit und andere schwere Steinsorten finden Vorzug vor leichten Steinen wie Sand- oder Tuffstein.
Wie auch die Verwandten auf dem Nordkontinent pflegen die Dunkelzwerge den Totenwandkult. Dies geht maßgeblich auf den Prakasch Sadosch, Sohn des Adosch zurück. Aufgrund ihrer matriarchaischen Gesellschaftsstruktur sind die Kammern inzwischen nach Geschlechtern getrennt. Die Kammern der Zwergenfrauen sind nicht nur größer, sondern auch reichlicher verziert. Ruhmreiche Dûrglaxdûnim und andere Zwerginnen, die Herausragendes leisten oder ein hohes Amt ausüben, dürfen auf eine Totenkammer mit einer »Scheibe« aus Dunkelglimm hoffen. Die Größe der Kammer in der Totenwand wirkt sich natürlich auch auf Größe und Gewicht der Urne aus. Um kein Gewicht einzubüßen, werden die Urnen meist nicht verziert.
Nachdem alle Angehörigen und Freunde Abschied genommen haben, wird die Urne in den Tempel der Tiefe verbracht. Die meisten Urnen werden dort noch einige Zeit aufbewahrt. Einmal je Wendung werden die Urnen mit ihrer Asche der Tiefe übergeben. Es handelt sich somit um indirekte Massenbestattungen. Herausragende Persönlichkeiten werden auch feierlich einzeln der Tiefe anvertraut.
Bartlose sind von diesem Kult ausgenommen. Ihnen wird die Bestattung im Tempel der Tiefe verwehrt. Ihre Urnen werden in Löcher, die sich so finden, gegeben. Diese können Spalten in Höhlen sein, Mineneinbrüche oder auch nicht mehr genutzte Brunnen.
Unter anderen Völkern lebende Zwerge
Zwerge, die in Städten oder Siedlungen mit Groß- oder Halblingen leben, verzichten im Regelfall auf die Totenwand. Das ist meist schon räumlich bedingt, da sie keinen Ort finden, an dem sie die Totenwand zentral und nicht omnipräsent errichten können. Sie setzen ihre Toten daher in einer oder je nach Größe der Zwergengemeinde mehreren Gruften auf den Gebeinfeldern der Mitbewohner bei - so denn vorhanden. Die Verbrennung des Leichnams wird auch weiterhin vorgenommen. Die Bronzeschale wird nicht mehrfach benutzt und kann auch mal aus minderwertigem Material sein, je nach dem, wie sehr sich die Zwerge von ihrer ursprünglichen Kultur entfernt haben. Es kommt häufig vor, dass nicht die gesamte Asche in der Bronzeurne beigesetzt wird, weil ein Teil zu Verwandten in den Zwergenreichen geschickt - einfach weil diese Verwandten sich weigern, zu den Siedlungen der Menschen zu pilgern. Die Überlieferung der Asche wird durch die ohnehin viel reisenden Hochzwerge praktiziert und kann teilweise mehrere Monate bis Wendungen in Anspruch nehmen.
Können oder wollen sich die Zwergenfamilien keine Gruft leisten, und sie auch nicht in ihre Stammlande entsenden, so wird die Urne in der eigenen Bleibe aufbewahrt. Gibt es auch kkeine Möglichkeit, die Asche in für zwerge angemessener Weise zu verstreuen, behalten die Zwerge die Urne mit Asche auch dauerhaft.
Wilde Zwerge
Wie so oft unterscheiden sich auch hier die Söhne und Töchter Lavaans erheblich von ihren zivilisierten Vettern. Unter dem Joch der Freiheit nichts zu schaffen, haben sie keine nennenswerte Sepulkralkultur entwickelt. Bei Raubzügen Umgekommene werden einfach vor Ort liegen gelassen. Bietet sich die Möglichkeit einer anschließenden Leichenfledderei, so wird diese auch praktiziert. Die zwergische Gier obsiegt hier über die kaum vorhandene Pietät. Hinzu kommt, dass ohnehin Bedarf an dessen Besitz innerhalb der Clangemeinschaft besteht.
Stirbt ein wilder Zwerg am Rückzugsort seines Clan, mag es eine kurze Trauer geben. Der Leichnam wird üblicherweise verbrannt oder einfach weggeworfen. Der Schamane interpretiert dies wohlwollend als Erfüllung des Auftrags seines Zwergenstammes - so denn er denn Kenntnis davon hat. Lediglich Schamenen werden mit mehr Respekt und Ehrfurcht behandelt: Während die Überreste verbrannt werden, führt Nachfolger einen nicht näher definierten Tanz auf, um seine Kräfte zu erben. In das Feuer gibt er geheimnisvolle Substanzen, die in wilden Farben aufleuchten. Damit kann er sich auch gleich den Respekt der in seiner Gemeinschaft lebenden Zwerge sichern.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, die wilden Zwerge würden vor Hunger die Leichname verspeisen. Faktisch ist es falsch, allerdings widmet sich niemand ernsthaft genug dem Studium der Nachfahren Lavaans, um das Gerücht als ein solches zu enttarnen.