Alrikswelt
Alrik und Alrik schlagen sich vor Lachen auf die Schenkel, können kaum Luft holen und wischen sich die Lachtränen aus den Augen.
"Was ?" ruft Alrik. Stemmt dabei die Fäuste in die Hüften, runzelt verärgert die Stirn.
"Du siehst ja aus wie ein Mädchen !" prustet Alrik heraus.
"Das ist ein Kilt, ihr Banausen ! Man muß sich eben den Landessitten anpassen wenn man nicht so blöd auffallen will wie ihr !"
Nun liegen die anderen beiden vollends am Boden und wälzen sich vor Lachen, nicht mehr fähig überhaupt noch zu antworten.
Einige Bürger, die erst noch aufmerksam zugeschaut hatten, wenden sich wieder ihrem eigenen Alltag zu, sind sie doch solche Vorführungen von Ausländern schon gewohnt.
Banausen halt. Passiert immer wieder mal vor diesem Laden der einfach an jeden einen Kilt verkauft. Sowas kommt eben von sowas. Kein Sinn für Traditionen und Familienehre solche Ausländer. Gut, es kommt schon mal vor das da ein Ausländer mit einem Kilt herauskommt der rein zufällig die Musterung der Familie eines heimischen, zufällig vorbeikommenden hat. Dann, ja dann gibt es schonmal weniger Gelächter. Eher lernt der Ausländer dann das es nicht immer Nacht ist wenn es plötzlich dunkel wird.
Traditionen sind eben wichtig. Familienehre erst recht.
Mittlerweile haben die beiden sich auf Praraghs Straßen wälzenden halbwegs beruhigt, oder können einfach nicht mehr weiterlachen weil das Zwerchfell Überlast meldet.
"Macht euch nicht zum Affen und kommt mit," Alrik stolziert die Straße hinunter, seinen Rucksack über der Schulter.
Mühsam rappeln sich die anderen auf, greifen ihre Ausrüstung zusammen und folgen ihm, in etwas Abstand, sich feixend unterhaltend.
So spazieren die drei zielstrebig Richtung Norden aus der Stadt heraus. Bald schon verlassen sie jedoch die Straße um sich seitwärts, westlich, in das Moor zu begeben.
Mor Enez zeigt sich von der freundlichen Seite, ohne Zwischenfälle wandern sie bis Abends weiter, erst kurz vor Sonnenuntergang schlagen sie auf einer leichten Anhöhe unter einer dichten Eiche ihr Nachtlager auf.
Alrik ist froh als er sich endlich in seine Decke wickeln kann, denn so ein Kilt ist doch von unten etwas ungewohnt zugig. Zugeben würde er das ja nie, auch wenn die anderen beiden inzwischen zur Abenteurerroutine zurückgekehrt sind anstatt wie Hühner gackernd durch die Wildnis zu stapfen. Das Lagerfeuer brennt gemütlich vor sich hin. Es wird wohl noch eine Weile halten nachdem sie ein dickeres Stück Holz dazugelegt haben. Auf dem freigekratzten Boden besteht auch keine Gefahr das es sich weiter ausbreitet während sie schlafen.
Die Sonne ist nun ganz untergegangen, die drei schließen ihre Augen um sich von dem Marsch des Tages zu erholen.
"Rrrrabbit" meldet sich die erste Kröte.
"Hihihi," lacht Alrik leise," die Kröte sagt gute Nacht."
"Crooooak" ruft nun eine von links.
Leise meint der andere Alrik:" Die auch. Hihi."
"Quaork ! Rrrrabbit ! Quack !" tönt es von links und rechts.
"Jaja, schon in Ordnung, wir wissens," grummelt Alrik, zieht sich die Decke über die Ohren.
"Rrrrabbit ! Grooaaarggh ! Quack ! Quaork ! Rabbitrabbittrabbitt !" erschallt es nun ohne Pause von überall her.
Aufrecht sitzen die drei in ihren Lagerstätten, pressen sich die Hände auf die Ohren.
Irgendwo platscht es im dunklen Sumpf. Doch das Konzert geht unvermindert weiter.
"Ich glaubs nicht" zischt Alrik aus zusammengebissenen Zähnen.
Stöhnend sinkt der andere zu Boden, nimmt seinen Mantel zu Hilfe um sich die Ohren zu zu halten.
"Ich glaubs auch nicht," meint der dritte, kramt nach einer Stundenkerze um sich aus deren Wachs Ohrenpfropfen zu machen.
Als er sich die beiden kleinen Wachswürste in die Ohren stopft bemerken die anderen beiden sein tun, rutschen heran und bedienen sich auch an der Kerze.
Es dauert nicht lange da hört man zwischen dem Gequake der Kröten das Schnarchen dreier Leute.
Die Sonne steht schon handbreit über dem Horizont als Alrik, wohl ausgeruht, erwacht. Glücklich blinzelt er in die Sonne, reckt und streckt sich, gähnd einmal herzhaft und erfreut sich der stillen Moorlandschaft vor sich. Nebelschwaden wabern in den Senken derweil Hügel, Bäume und Sträucher farbenfroh im hellen Sonnenlicht stehen.
Eine wunderbar, friedliche Landschaft die durch kein Quaken getrübt wird. Ja, nicht mal Vögel erlauben sich mit ihrem Gezwittscher dem Bild Abbruch zu tun.
Moment !
Er schaut zur Seite und sieht seine Freunde noch fest schlafen. Kein Schnarchen.
Ach ja !
Etwas in sich hineinlachend puhlt er das Wachs aus seinen Ohren.
Ah, das ist schon besser. Der Wind streift seicht durch die Wipfel, Vöglein singen auf den Ästen. Und was sich anhört wie eine 5 Zwergensäge auf Brandholzwaldraubbaubeschaffung das sind seine schlafenden Freunde.
Da, nun regt sich auch Alrik. Auch er reckt sich, gähnt herzhaft, blickt zu Alrik herüber und nickt freundlich.
Alrik ruft ihm ein fröhliches "Guten Morgen" zu.
Jener blickt ihn verständnislos an.
Alrik lacht, deutet auf seine Ohren.
Jetzt lacht Alrik auch. Fingert kurz an seinen Ohren rum, ruft dann seinen guten Morgen Gruß zurück.
Gemeinsam stehen sie auf, recken sich nochmal, lassen den Blick umherschweifen, rollen ihre Decken zusammen.
Schlendern dann zu Alrik hinüber und wecken ihn mit einem Tritt unter Freunden.
Jener grunzt, wischt sich über die Augen, blinzelt gegen die Sonne und schaut von unten seine Weggefährten an.
Sieht wie sich ihre Lippen bewegen, wie sie sich dann gegenseitig anschauen und lachen. Alrik deutet auf seine Ohren.
Alrik auch. Nun lacht auch Alrik am Boden. Fingert an seinen Ohren herum.
Fingert nochmal daran herum.
Legt den Kopf schief und schüttelt ihn.
Neigt nochmals den Kopf und klopft mit der flachen Hand auf die andere Seite seines Kopfes.
Fingert nun etwas hektischer in seinen Ohren herum.
Alrik und Alrik lachen lautlos.
"Verdammt, ich krieg die nicht raus !" brüllt Alrik.
Von Alrik bekommt er einen kleinen Zweig hingehalten.
Er nimmt ihn und puhlt damit in seinem Ohr rum, merkt aber rasch das er das Wachs eher weiter hineinschiebt als es herauszubekommen.
"Das Geht nicht !" schreit er.
Wie aus weiter Ferne glaubt er zu hören wie jemand meint er wäre nicht schwerhörig.
Den halben Vormittag mühen sie sich ab zu versuchen die Wachsstöpsel aus Alriks Ohren zu entfernen.
Ohne Erfolg.
Die drei wissen schon gar nicht mehr was sie alles probiert haben. Natürlich gab es auch etliche abgelehnte Vorschläge. Wie zum Beispiel den Alriks Kopf über dem Lagerfeuer zu erwärmen bis das Wachs von alleine raustropft. War wohl etwas zu sehr praktisch gedacht.
Das Ende vom Lied ist der gemeinsam gebrüllte Beschluß das doch mal einem Heiler zu überlassen, im nächsten Ort.
Erst spät kommen sie an diesem Tag los, Alrik führt, der neuerdings schwerhörige Alrik in der Mitte und Alrik bildet den Schluß der kleinen Gruppe.
Während Alrik vorne etwas vor sich hin trödelt schreitet Alrik zügig voran und hat diesen bald überholt. Da die anderen beiden ja direkt hinter ihm sind können sie ihn ja darauf aufmerksam machen wenn er irgendwas überhören sollte. Die anderen beiden lassen ihren Kameraden gerne vorne maschieren, ist ja immerhin besser als eine überlaute Kommunikation führen zu müssen die Orks schon von weitem hören könnten.
Grundsätzlich ist es an diesem Tag eine Lust zu wandern. Die Sonne wärmt schon ein klein wenig, der Boden ist für ein Moor recht sicher und fest, der Bewuchs hält sich in Grenzen. Naja, so fest ist der Boden nicht, er federt bei jedem Schritt. Es steckt auch ordentlich Feuchtigkeit darin. Trotzdem ist es angenehm auf ihm zu laufen.
Hübsche Blümchen sind auch schon zu sehen. Im blauen Himmel, weit oben, dreht ein Raubvogel seine Kreise.
Plötzlich erhält Alrik einen heftigen Schlag von hinten gegen seinen rechten Arm. Werfen die beiden Idioten wieder mit Sachen um ihn zu ärgern ?
Wütend fährt er herum und brüllt:"Ihr seit wohl nicht mehr ganz frisch in der Birne !"
Überrascht stellt er fest, oder besser, er stellt nicht fest, und zwar die Anwesenheit seiner Freunde.
Dafür die eines Räubers der mit einem Bogen auf ihn zielt.
Sofort lässt sich der verblüffte zu Boden fallen um etwaigen Pfeilen zu entgehen.
Er lauscht ob sich der Räuber nähert.
Verdammt.
Er hebt den Kopf um Blickkontakt zu bekommen.
Das Großhirn meldet das das eine gute Idee wäre in der aktuellen Situation.
Das Kleinhirn meldet dies wäre ein sehr guter Augenblick für ein kleines bißchen Panik.
Der Arm meldet das er, was Pfeile angeht, schon bedient ist.
Als er den Räuber mit einem Messer in der Hand auf sich zu rennen sieht springt er auf, nestelt an seinem Schwertgurt und brüllt.
Dummerweise gelingt es ihm nicht mit dem verwundeten Arm das Schwert zu ziehen, und höllisch weh tun tut das auch noch.
Darum brüllt er noch ein bißchen mehr.
Etwas schlitternd kommt der Räuber vor ihm zu stehen.
Mit vor Schreck geweiteten Augen.
Da !
Jetzt dreht er sich sogar um !
Hastig schlägt er sich zur Seite hin in die Büsche.
Ha !
Typisch !
Feiges Pack ! Laufen weg wenn sie sehen das sie einem echten Krieger gegenüber stehen ! Und wenn der auch verwundet ist, die haben einfach keinen Schneid.
Zufrieden reibt er sich den schmerzenden Arm.
Und bleibt wie versteinert stehen als ihm etwas auf die Schulter tippt.
Er schließt fest die Augen.
Was da auch für ein Problem ist, es existiert gar nicht.
Der Himmel ist schön blau, ich seh nix, ich hör nix, ich weiß von nix.
Groß- und Kleinhirn sind sich einig, sie melden Feierabend.
Auch der Arm hat sich wohl dafür entschieden das es sich nicht lohnt weiter weh zu tun.
Etwas tippt ihm nun kräftiger auf die Schulter.
Hilft ja nichts. Das leidige an der Realität ist ihre Penetranz in unangenehmen Situationen.
Die Augen langsam, vorsichtig, öffnend dreht der Taube sich langsam um.
Noch nicht ganz umgedreht, reißt er vor Schreck die Augen weit auf.
Da steht ein Troll !
Ein Zähne fletschender Troll !
Bei den letzten, und ersten, beiden Erkenntnissen war aus der 180 Grad Drehung schon eine 360 Grad Drehung geworden und die Beine haben die Gehirnarbeit in die Hände genommen, sozusagen.
Hier offenbart so ein Kilt seine taktische Überlegenheit in gewissen Situationen. Die Beinfreiheit ist kaum zu schlagen. Auch wenn der Anblick für einen Krieger möglicherweise etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Ein Schemen huscht übers Moor, durchbricht den nächsten Birkenhain und flitzt zwischen einer Gruppe von Leuten hindurch. Zwei von ihnen fällt es schwer ihm nicht hinterher zu schauen.
Einer der anderen beiden lacht kurz und hässlich weil er wohl annimmt das jener der da gerade vorbeigehuscht kam vor seinem Kumpel flieht der sich mit seinem Bogen den dritten Wanderer vornehmen wollte.
Diese Einschätzung gerät kurz darauf ins bröckeln, als nämlich erstaunlich schwere Schritte hinter ihm hörbar werden.
Jetzt fällt es den anderen beiden schwer sich nicht umzudrehen und nach zu schauen. Allerdings stellen sie erstaunt fest das ihre Gegenüber die Augen aufreissen, und auf den Fersen kehrt machen um dem Läufer hinterher zu jagen.
Jetzt drehen sie sich doch um, mit einer gewissen negativen Erwartungshaltung. Und werden nicht enttäuscht.
Vor ihnen kommt ein großer Troll zu stehen.
Der Troll schaut sie an, blickt auf ihre Waffen.
Die beiden Räuber reißen ihre Waffen hoch um sich zu verteidigen.
Der Troll haut beide um um sich zu verteidigen.
Nur kurz überlegt er, schätzt die beiden wie den Bogenschützen als Räuber ein, und schickt sich dann wieder an dem flüchtenden, und den beiden neuen flüchtenden, hinterher zu rennen.
Alrik springt derweil, seine nahezu grenzenlose Beinfreiheit ausnutzend, über einen umgestürzten Baum.
Eine Wasserfontäne springt aus dem Wasserloch dahinter empor.
Prustend, heftig um sich schlagend, kämpft sich der flüchtende wieder an die Wasseroberfläche empor.
Krallt sich mit den Händen ins Ufer um sich so schnell wie möglich heraus zu ziehen.
Und wird bald darauf wieder unter Wasser gedrückt, denn er bekommt Gesellschaft von zwei weiteren Springern.
Nun versuchen sich alle drei zu befreien, klammern sich panisch aneinander, greifen nach Ästen, Zweigen und Gräsern um sich daran herauszuziehen.
Dabei spritzt das Wasser weiter munter in die Höhe.
Sie wissen nicht wie lange sie da so kämpfen, irgendwann liegen die drei Abenteurer neben dem Wasserloch, heftig schnaufend, sich schüttelnd wie nasse Hunde.
"Ihr Glück haben das Wasserloch, nicht Sumpfloch."
"Kann man wohl sagen," entfährt es Alrik.
Alrik sieht voller Entsetzen zwei große Füße vor sich.
Alrik stellt voller Freude fest das er wieder hören kann, das unfreiwillige Bad scheint seine Ohren freigewaschen zu haben.
"Keine Angst, Räuber vorbei," selbstzufrieden verschränkt der Troll seine Arme und grinst von einem Ohr zum anderen.
Was fast den Eindruck macht als würde der Riese die Zähne fletschen, geht Alrik durch den Sinn.
"Äh, ja, danke. Toll." Wagt Alrik vorsichtig zu sagen.
"U-u-und was willst du von uns ?" Fragt Alrik.
Abschätzend zieht der Troll die Stirne kraus, blickt sie an. "Ihr doch Abenteurer, oder ?"
Die drei sehen sich gegenseitig an, zucken mit den Schultern. "Ja, hm, sind wir, warum ?"
"Ihr wollen doch bestimmt gehen durch großartiges Tor von Mutter ?"
"Was für ein Tor ?"
"Warum großartig ?"
"Was für ne Mutter ?"
Fast gleichzeitig kommen die drei Frageantworten heraus.
"Großes, gewaltiges Tor von großes, gewaltiges, uraltes Mutter von allem !" Wieder verschränkt der Riese die Arme vor der Brust, diesesmal mit unverkennbaren Stolz in der Haltung.