Transzendenter Tee im Hier - Band 2
Inhaltsverzeichnis
Kommentar
Irgendwie hat's beim copy-pasten aus Word heraus das Spacing zerschossen. Ich hab jetzt keine Lust da überall noch manuell Leerzeichen einzufügen, ihr könnt's euch ja im AOQML aufm Testserver anschauen.
Text
"Allora",sprach Canese und blickte in die illustre Runde seiner Gäste. "Dannkönnen wir uns ja jetzt mit dem eigentlichen Grund unsererZusammenkunft befassen." "Entschuldigt, werter Kollege",wandte Natlop ein, "aber müssten wir nicht erst die zeitlicheKondition unserer Zusammenkunft prüfen, nachdem wir der räumlichennun mehr oder minder sicher sind?" Er warf einen fragenden Blickin die Runde: "Wenn ich sage, dass wir uns jetzt hierbefinden, könnte Man Sun docheinwenden, dass der Augenblick, in welchem ich dieses Jetztgesagt habe, doch schon Vergangenheitist." Restisatole gab die Andeutung eines Nickens von sich. Canese runzelte die Stirn und legte den Kopf leicht schräg.“Interessante... Möchtet Ihr darauf hinaus, dass das Jetzt an sichbereits im Moment seiner Artikulation kein Jetzt mehr ist, Signor?"Man Sun legte nachdenklich die Fingerkuppen aneinander, als sie dasWort ergriff: "Wenn ich hier einspringen darf, möchte ich dieGelegenheit nutzen und erneut darauf verweisen, dass der Ort desGeschehens nur im geringen, wenn nicht sogar kurzsichtigen Maße dergleiche bleibt. Die Veränderung der Sternbilder weist eindeutigdarauf hin, dass sich dieser Ort im Verhältnis zu den anderenSternen verändert und somit auch der Ort selbst, was wohl auchEinfluss auf die Zeit haben muss."
Natolp nickte zustimmend undfuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum: "Genau dasmeinte ich, wobei ich es natürlich bezweifeln würde, dass aus derveränderten Position zu den Sternen schon abgeleitet werden darf,dass sich auch unser Ort selbst verändert. Denn es könnte ja auchdergestalt sein, dass sich nur die Sterne bewegen, während das Hierewiglich gleich ist. In jedem Fall haben wir aber eine Veränderung,an deren Vorhandensein wir erkennen können, dass die Zeit fließtund das Jetzt von jetzt schon nicht mehr das Jetzt von jetzt, sondernim Augenblick der Benennung schon zur Vergangenheit wird." Dannlehnte sich der Alte zurück und setzte eine selbstzufriedene Mieneauf.
Nuamelin blickte den selbstzufrieden lächelnden Natolp miteinem herausfordernden Schmunzeln an: "In welche Richtung,verehrter Natolp, meint Ihr denn, fließt die Zeit - wenn sie dennfließt, wie Ihr ja so schlüssig dargelegt habt?" "Nun",in den grau-blauen Augen des alten Kaiserreichers funkelte einLächeln, als er dieses Wort genüsslich langsam aussprach: "Siekommt aus der Zukunft, streift uns für einen Moment und fließtweiter in die Vergangenheit." Nach einem Schluck Tee und fügteer amüsiert hinzu: "Oder wollt Ihr uns eine andere Richtungvorschlagen, mein junger sawajiddischer Freund? Da Ihr ja auch vonrechts nach links schreibt, würde es mich nicht wundern, wenn ineuren Ländern die Uhren auch rückwärts laufen." Noch bevorNuamelin zu einer Antwort ansetzen konnte, betrat ein kaum 60 Sommerzählender Schüler der Weisheit hastig den von Nebelschwadendurchzogenen Raum, streifte sich seine Kutte glatt und entschuldigtesich mit den Worten: "Verzeiht meineVerspätung, doch wäre die Zeit nicht im Fluge weitergereist wäreich wohl nicht erst jetzt hier angekommen. Dieser Stuhl ist frei,nehme ich an?" Da in den nächstenAugenblicken niemand widersprach, setzte ersich und zündete sich seine Pfeife an. Auf das Eintreffen desNeuankömmlingshin nickte der alte Restisatole freundlich und räusperte sich kurz.Für einen Moment herrschte andächtiges Schweigen, doch der Weisehatte sich wohl nur den Rachen freigehüstelt und hörte nun wiederaufmerksam der Diskussion zu. Canese, der die Unterhaltung bislanginteressiert verfolgt hatte, blickte etwas erstaunt bei der Ankunftdes Neuankömmlings. Er nickte ihm freundlich zu und antwortete: "Si,dieser Stuhl war in der Tat noch frei, Signor ... ?" Mit einemfragenden Blick und einer dazu passenden Geste ließer das Ende des Satzes förmlich in der Luft hängen. “Oh,entschuldigt”, entgegnete der Angesprochene zwischen zwei Zügen anseiner Pfeife: “Stephano de Grooden ist mein Name.”
Nuamelinhingegen ließsich durch den Neuankömmling nicht ablenken, er wirkte recht eifrigund erhob seine Stimme ohne Stefano de Grooden und Canese dieGelegenheit zu geben durch nebensächlichesGerede vom eigentlichen Thema abzulenken: "Wer sagt denn, dassdie Zeit diejenige ist, die sich bewegt? Wie Ihr selbst ausführt,kann es sein, dass die Sterne diejenigen sind, die sich bewegen -oder sollte ich sagen dahin-'fließen'? Natürlich können wir unsdarauf einigen, dass wo (oder wann) wir sind, der Fixpunkt ist undalles andere fließt. Aber das wäre doch ein arg eingeschränkterBlickwinkel. Vielleicht sieht die Zeit selbst das aus ihrerPerspektive ganz anders."Er blickte sich um. "Und könnteich wohl eine Wasserpfeife bekommen?"
Man Sun ließein feines Lächeln sehen, ehe sie einwarf: "Der Begriff desFließens missfällt mir, da er eine Abhängigkeit sowie einenEinfluss ausdrückt, ebenso wie einerseits der Fluss vom Felsgeleitet wird und sich gleichsam doch in diesen hineinfrisst.Zwischen Hier und Jetzt ist also der Faktor zu finden, der endwederkonstant bleibt und die anderen bestimmt oder aber ohne den Einflusseines anderen Faktors eine Veränderung durchläuft und auch dadurchalles Übrige von sich abhängig macht.” Die Philosophen verfielenins Schweigen. Einige Minuten später brachte eine dicke Guîrfógaschweigsam die verlangte Wasserpfeife, entfernte sich aber nichtwieder, sondern blieb im Türrahmen stehen um der Diskussionaufmerksam zu folgen.
Stephano de Grooden zog ein paar Male an seinerPfeife und blickte den Schwaden an die Decke hinterher. Schließlichblickte er seine Vorrednerin an und holte tief Luft: "Werte Man Sun - es muss sich zweifelsohne so verhalten, dass die Zeit dieKonstante in dieser Gleichung sein muss. Wie sonst könnte manEreignisse in Büchern festhalten, wie sonst könnte man Bilder ausvergangenen Zeiten betrachten und so dem Augenblick des Schaffensdieser Werke beiwohnen? Nein, zweifelsohne bewegen wir uns durch dieZeit hindurch. Doch wie können wir sie anhalten, auf das Jetzt auchJetzt bliebe? Welche Kraft treibt uns an? Und selbst wenn alleLebewesen für einen Moment stillehalten - wir würden dennoch alternund der Zeit keine Sekunde abringen können. Also ist das Pendant zurZeit wohl das Altern, welchem wir Herr werden müssten umdas Jetzt und hier festzuhalten."
Man Sun verharrte einenMoment in nachdenklichem Schweigen, ehe sie entgegnete: "WennIhr sagt, dass die Zeit dieser unbeherrschbare Faktor ist, ist esunlogisch davon auszugehen, dass man das Jetzt festhalten könne, dadas Jetzt zweifelsfrei eine zeitliche Einheit ist und somit nichtfestzuhalten ist." Nachdem sich wieder Schweigen ausgebreitethatte, räusperte sich die dickeGuîrfóga, eine Dienerin des Hauses namens Kadrolscha, die immernoch im Türrahmen stand:"Mein alter Meister - er ruhe in Frieden - sagte einst: 'Nur die Gegenwart ist vergänglich. DieVergangenheit und die Zukunft währen ewig'. Es ist also durchausmöglich die Vergangenheit festzuhalten, manche wenige können diesauch mit der Zukunft - wobei diese von der Gegenwart abhängt. DieGegenwart, also das Jetzt ist dagegen nicht fassbar." Abwartendblickte sie in die Runde. Natlop hörte sich die Einwände gegen dasFließen der Zeit an und wiegte nachdenklich seinen Kopf. Dann hob erwieder seinen Zeigefinger und sprach mit fester Stimme: "Werwill die Zeit befragen? Was für eine Antwort will er erhalten? Wirhaben schon festgestellt, dass das Hier relativ zu unseren Positionenist. Wir haben schon festgestellt, dass der Raum nicht gefragt werdenmuss, weil er eine Dimension ist, die uns nicht Rede und Antwortstehen kann, wie ein denkendes und sprechendes Wesen es vermag. ImGegensatz zum Raum, den ich aber aktiv durchschreiten kann, um meinePosition zu verändern, verhält es sich mit der Zeit jedoch anders.Ich ruhe und trotzdem altere ich. Ich warte und das Jetzt zieht anmir vorbei. Kann ich es anhalten, wie meine Schritte, sodass ich imJetzt verharre wie im Hier? Mitnichten! Daher fließt die Zeit,während wir hier verweilen."
Kadrolscha machte eine ausladendeGeste mit ihren Armen und sprach: "Die Zeit fließt, soweitstimme ich Euch zu, Meister Natlop. Nur in welche Richtung? Ganz soselbstverständlich wie Ihr diese dargestellt habt, ist es nämlichnicht. Wir hier haben wohl alle den Eindruck, sie fließe von derVergangenheit in die Zukunft. Doch könnte es gut sein, dass dieserEindruck nur eine Täuschung ist. Ich erinnere mich gelesen zu haben,dass die Cronarh, oder vielleicht war es auch ein Dschungelstamm ausdem Süden, genau kann ich es nicht mehr sagen, die Ansicht vertritt,die Zeit bewege sich von der Zukunft in die Vergangenheit. Denn derMensch hat seine Augen im Gesicht und sieht damit nach vorne, dennochkann er die Zukunft nicht sehen - nun ja, bis auf die Wenigen, diedie Gabe des Prophezeiens besitzen - die Vergangenheit dagegen siehtman, daher muss die Vergangenheit vor uns, die Zukunft allerdingshinter uns liegen." Mit einem leicht spöttischen Grinsen sahsie in die Runde und hoffte wohl, mit ihrer Aussage einige Reaktionenprovoziert zu haben. Und in der Tat: dieser kluge Einwurf rangRestisatole ein anerkennendes Nicken ab.
Canese, der einige Zeit langmit gerunzelter Stirn den Ausführungen seiner Kollegen gelauschthatte, ergriff nun wieder das Wort: "In welche Richtung die Zeitfließt - einmal angenommen, sie tut das wirklich, und dessen könnenwir uns ja nicht sicher sein - beeinflusst die Beschaffenheit desJetzt doch nicht im Geringsten: Egal in welche Direzionedie Zeit sich durch das Jetzt bewegt, bleibt das Jetzt dennoch einungreifbarer Punkt in diesem Fluss. Wobei hier die Frage zu stellenwäre: handelt es sich beim dem Jetzt wirklich um einen klardefinierbaren Puntooder doch eher um einen unscharfen Bereich? Kann der Mensch gargleichzeitig das Jetzt und den Fluss der Zeit erfassen? Oder ist esvielmehr so, dass für alle, die sich im Fluss der Zeit befinden, dasJetzt für immer ungreifbar ist, während jene, die nur im Jetztweilen, niemals das Vergehen der Zeit feststellen können?"Grübelnd lehnte sich Canese in seinem Stuhl zurück.
Natlop legtseine Stirn in Falten und strich sich bedächtig den grauen Bart.Nach einigen Minuten brach der alte Kaiserreicher schließlichdas Schweigen der Runde und setzte sich gerade auf: "Eineschwierige Frage, die Ihr uns da stellt, werter Canese. Ich werdemich an einer Antwort versuchen, weiß aber nicht, ob meine Zungenicht schon zu alt ist, um die Windungen meiner Gedanken derartakrobatisch darzustellen, dass sie der Wahrheit auf ihrenverschlungenen Pfaden gerecht werden wird."Dann schloss er die Augen und warf den Kopf in den Nacken. Es sahfast so aus, als wolle er in sein Hirn schauen, bevor er weiterfortfuhr: "Ich denke nicht, dass esein Sehen ist, was uns die Vergangenheit wahrzunehmen erlaubt. Sehentun wir doch in der Regel die Wege, welche vor uns liegen, die wiralso zukünftig zu beschreiten gedenken. Nein, es ist vielmehr einErinnern, dass uns erlaubt, mit dem inneren Auge einen Rückblick indie Vergangenheit zu gestalten. Dieses Erinnern sagt uns sodann, dassdie Vergangenheit in unsliegt und nicht außerhalb unser, denn sonst würden wir sicherlichvon einem Eräußern sprechen und nicht vom Erinnern. Doch wo istdieser Platz in mir, in dem ich die ganze Vergangenheit aufbewahrenkann? Es ist im Gedächtnis, denn Erinnern ist doch eine Art desDenkens. Alles, was ich also schon einmal gedacht habe, ist imGedächtnis und die Erinnerung daran bedeutet nichts anderes, alsVergangenes aus dem Gedächtnis ins Jetzt zu holen."Dann scheint er noch einen Moment über seine eigenen Wortenachzudenken, bis er noch an die anderen gerichtet hinzufügt: "Hm,war das jetzt verständlich?"
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- 1: --Guur (Diskussion) 14:55, 15. Nov. 2013 (CET)
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